14. Juli 2020
Michael Kempf
14. Juli 2020
Michael Kempf
Farbe und Corporate Design

Ich war kürz­lich in der Pra­xis mei­nes Ortho­pä­den und kam nicht umhin dem Gespräch einer Pati­en­ten mit den Damen vom Emp­fang zu folgen.

Pati­en­tin: „Och, was haben Sie für schöne Polo-Shirts an. Tra­gen Sie die immer, oder wech­seln Sie auch mal die Farbe?
Sprech­stun­den­hilfe: Nein, die tra­gen wir jeden Tag. Aber wir haben natür­lich meh­rere davon.
Pati­en­tin: Ah, was ist das für eine Farbe? Sieht aus wie das Pink von der Telekom.
Sprech­stun­den­hilfe: Ja, fast. Geht biss­chen mehr ins blau.
Pati­en­tin: ja, genau.

Ich war ziem­lich beein­druckt. Da unter­hal­ten sich zwei „nor­male“ Men­schen über die Zusam­men­set­zung einer Unter­neh­mens­farbe. Und noch dazu lagen sie abso­lut rich­tig. Ich hätte die Polos der Sprech­stun­den­hil­fen auf 15 bis 20 Pro­zent Cyan und 100 Pro­zent Magenta geschätzt. Oder eben „biss­chen mehr blau als bei der Tele­kom“. Die hat übri­gens 6% Cyan und 100% Magenta. Also nur einen leich­ten Blau­an­teil. Das eigent­lich Bemer­kens­werte ist aber, dass die Pati­en­tin nur durch den Anblick der Farbe sofort Tele­kom asso­zi­ierte. Das zeigt wel­che Macht Far­ben haben kön­nen. Natür­lich kann man jetzt argu­men­tie­ren, dass die Tele­kom über ein enor­mes Wer­be­bud­get ver­fügt und allein durch ihre stän­dige Prä­senz den Men­schen bekannt sein sollte. Ande­rer­seits gibt es genug andere Unter­neh­men mit ähn­li­chen Bud­gets denen das nicht gelingt. Mir fal­len spon­tan auch nur wenige Unter­neh­men oder Mar­ken ein, die nur durch die Farbe iden­ti­fi­ziert wer­den kön­nen. Viel­leicht noch Milka mit dem typi­schen Lila oder Nivea mit ihrem Blau.



Es gibt nur wenige Mar­ken, die nur durch ihre Farbe iden­ti­fi­ziert wer­den können.


Selbst bei glo­ba­len Mar­ken wie Coca-Cola reicht die Farbe alleine nicht aus. Es braucht noch ein wei­te­res Ele­ment wie das Logo, einen Schrift­zug oder ein Bild um Coca-Cola iden­ti­fi­zie­ren zu kön­nen. Immer­hin denkt wohl jeder, der Coca-Cola hört, sofort an die Farbe Rot. Oder bei Star­bucks an Grün, oder bei Ikea eben an Gelb und Blau. Und damit ist das erste Ziel bei der Farb­wahl für ein Unter­neh­men auch schon erreicht. Die Marke oder das Unter­neh­men wird mit einer Farbe asso­zi­iert. Und ganz wich­tig, wiedererkannt.


Bei Coca-Cola reicht die Farbe alleine noch nicht um die Marke zu erken­nen. Aber bereits die gra­fi­sche Form der “dyna­mi­schen Welle”, oder die Form des Pro­duk­tes machen aus dem Rot das Coca-Cola-Rot. (Quelle: Coca-Cola, Bild­mon­tage: Michael Kempf Design)


Wie fin­det man nun die Farbe oder die Far­ben, die per­fekt zum Erschei­nungs­bild pas­sen und was ist zu beach­ten? Nach­fol­gend möch­ten wir auf einige Fak­to­ren ein­ge­hen, die bei der Farb­wahl wich­tig sind.

Per­sön­li­che Vorlieben
Nicht unsere, die des Kun­den. Wenn ein Kunde anregt, dass das Erschei­nungs­bild sei­nes Unter­neh­men in Rich­tung Orange gehen soll, weil dies seine Lieb­lings­farbe ist, las­sen wir das zunächst ein­mal so ste­hen. Warum auch nicht? Ein Cor­po­rate Design hat nicht nur Rele­vanz für die externe Wahr­neh­mung son­dern auch für die interne. Ein­fach gesagt, wenn dem Kun­den die Farbe sei­nes Unter­neh­mens gefällt ist das bes­ser als wenn er sich jeden Tag dar­über ärgert. Natür­lich legen wir jetzt nicht sofort los und stel­len die Farb­reg­ler auf 50 Pro­zent Rot und 100 Pro­zent Gelb son­dern wen­den uns dem nächs­ten Punkt zu.

Der Wett­be­werb
Wir schauen uns ein­mal die Kon­kur­renz an. Wel­che Farbe(n) hat der direkte Wett­be­werb? Wenn die zwei größ­ten Kon­kur­ren­ten eben­falls einen Oran­ge­ton ver­wen­den, kann es unter Umstän­den wenig sinn­voll sein die glei­che Farbe als Pri­mär­farbe ein­zu­set­zen. Allein für die Wie­der­erken­nung und zum Zwe­cke der Unter­schei­dung wäre eine andere Farbe zu bevor­zu­gen. Sich zu sehr an Mit­be­wer­bern zu ori­en­tie­ren kann übri­gens auch wett­be­werbs­recht­li­che Fol­gen haben. Wie­der das Bei­spiel Tele­kom: Hier ist die Farbe als sol­che geschützt und sollte ein Unter­neh­men aus dem Tele­kom­mu­ni­ka­ti­ons­be­reich eben­falls Magenta ver­wen­den, hätte das mit Sicher­heit eine Abmah­nung zur Folge. Ein gutes Bei­spiel für abge­steckte „Farb­claims“ lie­fern übri­gens die Ban­ken in Deutsch­land. Die meis­ten Insti­tute haben einen eige­nen Farb­be­reich besetzt. Für die Neu­grün­dung einer Bank wäre es daher gut zu prü­fen ob weni­ger besetzte Far­ben in Frage kom­men könn­ten oder ob es sinn­vol­ler ist in die Farb­welt eines Wett­be­wer­bers “ein­zu­drin­gen”.


Die gro­ßen Insti­tute haben alle ihre eigene Farb­welt. Nimmt man noch die Con­sors­bank mit “Tür­kis” und die ehe­ma­lige Dresd­ner Bank mit “Grün” dazu sind fast alle Far­ben besetzt.


Bran­chen­be­zug
Es gibt viele Bran­chen in denen die Farb­wahl rela­tiv unpro­ble­ma­tisch ist. Es gibt aber Berei­che bei denen die Farb­wahl durch­aus ein­ge­schränkt ist. Dies kann kul­tu­rell oder gesell­schaft­lich begrün­det sein. Bei­spiels­weise ist es im Bestat­tungs­be­reich üblich auf dezen­tere Far­ben zu set­zen. Schwarz, Sil­ber, Grau, Weiß, Lila… Ein neues Bestat­tungs­un­ter­neh­men mit den Far­ben Pink und Orange zu grün­den würde zwar eine hohe Wie­der­erken­nung und Unter­scheid­bar­keit garan­tie­ren, die Akzep­tanz bei der Ziel­gruppe wäre jedoch frag­lich. Auch im medi­zi­ni­schen Bereich, wo es um Hygiene geht, wären die Far­ben Weiß, Blau, Tür­kis einem scho­ko­la­di­gen Braun­ton wohl vorzuziehen.

Farb­raum
Der nächste Punkt ist rein prak­ti­scher Natur und ein klei­ner Aus­flug in den tech­ni­schen Bereich. Hier sollte bei der Farb­wahl für ein Erschei­nungs­bild zumin­dest ein­mal geprüft wer­den ob die gewähl­ten Far­ben auch wie gewünscht dar­stell­bar sind. Kurz ein Bei­spiel. Unser Favo­rit ist immer noch das leuch­tende Orange, wel­ches auf dem Moni­tor (Farb­raum RGB) oder im Inter­net (Farb­raum HEX) abso­lut toll aus­sieht. Wenn das die ein­zi­gen Anwen­dungs­ge­biete sind, wäre dage­gen auch nichts ein­zu­wen­den. Was aber, wenn das leuch­tende Orange auch gedruckt wer­den soll? Bei­spiels­weise auf Visi­ten­kar­ten oder Bro­schü­ren? Dann stellt man fest, dass es im nor­ma­len Farb­raum für den Off­set­druck (Farb­raum CMYK) kein leuch­ten­des Orange gibt bzw. gedruckt wer­den kann. Natür­lich kann man die­ses Pro­blem lösen, indem man zusätz­lich zu den vier Druck­far­ben eine wei­tere Son­der­farbe für das Orange (z. B. Farb­raum Pan­tone) hinzu nimmt. Dadurch stei­gen jedoch die Druck­kos­ten. Hier sollte man sich also im Vor­feld fra­gen, wie hoch ist mein Druck­be­darf und bin ich bereit die Mehr­kos­ten zu tragen?

Psy­cho­lo­gie
Als nächs­tes wen­den wir uns der Farb­psy­cho­lo­gie zu. Far­ben wer­den ver­schie­dene Eigen­schaf­ten zuge­schrie­ben. Diese Eigen­schaf­ten soll­ten sich mit den Eigen­schaf­ten eines Unter­neh­men oder eine Marke decken. Ein ein­fa­ches Bei­spiel: Wir sind im Ver­si­che­rungs­be­reich tätig und möch­ten uns als Unter­neh­men posi­tio­nie­ren das vor allem (welch Über­ra­schung) für Serio­si­tät und Ver­läss­lich­keit steht. Dann wäre wahr­schein­lich die Farbe Blau unsere erste Wahl. Immer­hin asso­zi­ie­ren 44 Pro­zent aller Men­schen mit Blau Ver­trauen. Das haben natür­lich auch unsere Mit­be­wer­ber erkannt und so wun­dert es wenig, dass die Mehr­zahl der Ver­si­che­rer Blau als Pri­mär­farbe nutzt: Alli­anz, Gothaer, R+V, Bas­ler, Europa, Inter, Con­cor­dia, Roland, Zurich, Cos­mos usw.. Hier scheint die Unter­scheid­bar­keit vom Wett­be­werb offen­sicht­lich bei vie­len hin­ter der Farb­ei­gen­schaft zu ste­hen. Ande­rer­seits steht blau aber nicht nur für Ver­trauen son­dern wird auch häu­fig mit „Kälte“, und „Ferne“ gleich­ge­setzt. Wenn man nun nicht nur „ver­läss­lich“ son­dern auch „kun­den­nah“ sein möchte hat man ein Pro­blem. Man könnte nun, wie die Targo Ver­si­che­rung, der Pri­mär­farbe Blau eine Sekun­där­farbe Rot zur Seite stel­len. Rot wird von den meis­ten Men­schen mit Liebe, Zunei­gung und Nähe asso­zi­iert. So hät­ten wir beide Eigen­schaf­ten farb­lich abge­deckt. Aller­dings ist uns nach­hal­ti­ges und umwelt­be­wuss­tes Han­deln auch sehr wich­tig. Gut, ergän­zen wir unsere Farb­pa­lette eben noch um einen Grün­ton. Sie sehen wohin das führt. Natür­lich spricht nichts gegen ein bun­tes Erschei­nungs­bild aber man muss sich dabei im kla­ren sein dass eine Wie­der­erken­nung anhand der rei­nen Farbe (so wie bei der Tele­kom) damit schwie­ri­ger wird.
Die Farb­psy­cho­lo­gie ist ein sehr span­nen­des Feld und kann rele­vante Erkennt­nisse lie­fern. Hat aber bei der kon­kre­ten Anwen­dung auch ihre Gren­zen. Es lohnt sich jedoch durch­aus sich näher mit der Wir­kung von Far­ben zu beschäf­ti­gen. Hierzu emp­feh­len wir gerne das Buch „Wie Far­ben wir­ken“ von Eva Heller.

Ziel­gruppe
Je genauer sich eine Ziel­gruppe defi­nie­ren lässt, umso wich­ti­ger wird es sie bei der Farb­wahl zu berück­sich­ti­gen. Bei­spiels­weise haben Män­ner und Frauen ein unter­schied­li­ches Farb­emp­fin­den. Selbst über­zeugte Befür­wor­ter einer geschlechts­neu­tra­len Erzie­hung wer­den wohl kaum wider­spre­chen, dass der Erfolg einer rosa­far­be­nen Heim­wer­ker­marke über­schau­bar blei­ben wird. Auch das Alter spielt eine Rolle. Ob sich Senio­ren von einem hip­pen Neon­grün ebenso ange­spro­chen füh­len wie Teens möchte ich bezwei­feln. Kin­der wie­derum sind wohl eher einer bun­ten Farb­welt zuge­tan als einem ele­gan­ten Schwarz. Natür­lich sollte man hier nichts pau­scha­li­sie­ren aber die Ziel­gruppe zu ken­nen und sie bei der Farb­wahl ein­zu­be­zie­hen ist defi­ni­tiv sinnvoll.

Fazit: Wenn man sich der Wirkung von Farbe bewusst ist, ist schon viel erreicht. Vielleicht überwiegen dann strategische Interessen über persönlichen Vorlieben. Die Entscheidung sollte jedenfalls gezielt und nicht aus dem Bauch heraus getroffen werden.

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