Ich war kürzlich in der Praxis meines Orthopäden und kam nicht umhin dem Gespräch einer Patienten mit den Damen vom Empfang zu folgen.
Patientin: „Och, was haben Sie für schöne Polo-Shirts an. Tragen Sie die immer, oder wechseln Sie auch mal die Farbe?
Sprechstundenhilfe: Nein, die tragen wir jeden Tag. Aber wir haben natürlich mehrere davon.
Patientin: Ah, was ist das für eine Farbe? Sieht aus wie das Pink von der Telekom.
Sprechstundenhilfe: Ja, fast. Geht bisschen mehr ins blau.
Patientin: ja, genau.
Ich war ziemlich beeindruckt. Da unterhalten sich zwei „normale“ Menschen über die Zusammensetzung einer Unternehmensfarbe. Und noch dazu lagen sie absolut richtig. Ich hätte die Polos der Sprechstundenhilfen auf 15 bis 20 Prozent Cyan und 100 Prozent Magenta geschätzt. Oder eben „bisschen mehr blau als bei der Telekom“. Die hat übrigens 6% Cyan und 100% Magenta. Also nur einen leichten Blauanteil. Das eigentlich Bemerkenswerte ist aber, dass die Patientin nur durch den Anblick der Farbe sofort Telekom assoziierte. Das zeigt welche Macht Farben haben können. Natürlich kann man jetzt argumentieren, dass die Telekom über ein enormes Werbebudget verfügt und allein durch ihre ständige Präsenz den Menschen bekannt sein sollte. Andererseits gibt es genug andere Unternehmen mit ähnlichen Budgets denen das nicht gelingt. Mir fallen spontan auch nur wenige Unternehmen oder Marken ein, die nur durch die Farbe identifiziert werden können. Vielleicht noch Milka mit dem typischen Lila oder Nivea mit ihrem Blau.
Es gibt nur wenige Marken, die nur durch ihre Farbe identifiziert werden können.
Selbst bei globalen Marken wie Coca-Cola reicht die Farbe alleine nicht aus. Es braucht noch ein weiteres Element wie das Logo, einen Schriftzug oder ein Bild um Coca-Cola identifizieren zu können. Immerhin denkt wohl jeder, der Coca-Cola hört, sofort an die Farbe Rot. Oder bei Starbucks an Grün, oder bei Ikea eben an Gelb und Blau. Und damit ist das erste Ziel bei der Farbwahl für ein Unternehmen auch schon erreicht. Die Marke oder das Unternehmen wird mit einer Farbe assoziiert. Und ganz wichtig, wiedererkannt.
Bei Coca-Cola reicht die Farbe alleine noch nicht um die Marke zu erkennen. Aber bereits die grafische Form der “dynamischen Welle”, oder die Form des Produktes machen aus dem Rot das Coca-Cola-Rot. (Quelle: Coca-Cola, Bildmontage: Michael Kempf Design)
Wie findet man nun die Farbe oder die Farben, die perfekt zum Erscheinungsbild passen und was ist zu beachten? Nachfolgend möchten wir auf einige Faktoren eingehen, die bei der Farbwahl wichtig sind.
Persönliche Vorlieben
Nicht unsere, die des Kunden. Wenn ein Kunde anregt, dass das Erscheinungsbild seines Unternehmen in Richtung Orange gehen soll, weil dies seine Lieblingsfarbe ist, lassen wir das zunächst einmal so stehen. Warum auch nicht? Ein Corporate Design hat nicht nur Relevanz für die externe Wahrnehmung sondern auch für die interne. Einfach gesagt, wenn dem Kunden die Farbe seines Unternehmens gefällt ist das besser als wenn er sich jeden Tag darüber ärgert. Natürlich legen wir jetzt nicht sofort los und stellen die Farbregler auf 50 Prozent Rot und 100 Prozent Gelb sondern wenden uns dem nächsten Punkt zu.
Der Wettbewerb
Wir schauen uns einmal die Konkurrenz an. Welche Farbe(n) hat der direkte Wettbewerb? Wenn die zwei größten Konkurrenten ebenfalls einen Orangeton verwenden, kann es unter Umständen wenig sinnvoll sein die gleiche Farbe als Primärfarbe einzusetzen. Allein für die Wiedererkennung und zum Zwecke der Unterscheidung wäre eine andere Farbe zu bevorzugen. Sich zu sehr an Mitbewerbern zu orientieren kann übrigens auch wettbewerbsrechtliche Folgen haben. Wieder das Beispiel Telekom: Hier ist die Farbe als solche geschützt und sollte ein Unternehmen aus dem Telekommunikationsbereich ebenfalls Magenta verwenden, hätte das mit Sicherheit eine Abmahnung zur Folge. Ein gutes Beispiel für abgesteckte „Farbclaims“ liefern übrigens die Banken in Deutschland. Die meisten Institute haben einen eigenen Farbbereich besetzt. Für die Neugründung einer Bank wäre es daher gut zu prüfen ob weniger besetzte Farben in Frage kommen könnten oder ob es sinnvoller ist in die Farbwelt eines Wettbewerbers “einzudringen”.
Die großen Institute haben alle ihre eigene Farbwelt. Nimmt man noch die Consorsbank mit “Türkis” und die ehemalige Dresdner Bank mit “Grün” dazu sind fast alle Farben besetzt.
Branchenbezug
Es gibt viele Branchen in denen die Farbwahl relativ unproblematisch ist. Es gibt aber Bereiche bei denen die Farbwahl durchaus eingeschränkt ist. Dies kann kulturell oder gesellschaftlich begründet sein. Beispielsweise ist es im Bestattungsbereich üblich auf dezentere Farben zu setzen. Schwarz, Silber, Grau, Weiß, Lila… Ein neues Bestattungsunternehmen mit den Farben Pink und Orange zu gründen würde zwar eine hohe Wiedererkennung und Unterscheidbarkeit garantieren, die Akzeptanz bei der Zielgruppe wäre jedoch fraglich. Auch im medizinischen Bereich, wo es um Hygiene geht, wären die Farben Weiß, Blau, Türkis einem schokoladigen Braunton wohl vorzuziehen.
Farbraum
Der nächste Punkt ist rein praktischer Natur und ein kleiner Ausflug in den technischen Bereich. Hier sollte bei der Farbwahl für ein Erscheinungsbild zumindest einmal geprüft werden ob die gewählten Farben auch wie gewünscht darstellbar sind. Kurz ein Beispiel. Unser Favorit ist immer noch das leuchtende Orange, welches auf dem Monitor (Farbraum RGB) oder im Internet (Farbraum HEX) absolut toll aussieht. Wenn das die einzigen Anwendungsgebiete sind, wäre dagegen auch nichts einzuwenden. Was aber, wenn das leuchtende Orange auch gedruckt werden soll? Beispielsweise auf Visitenkarten oder Broschüren? Dann stellt man fest, dass es im normalen Farbraum für den Offsetdruck (Farbraum CMYK) kein leuchtendes Orange gibt bzw. gedruckt werden kann. Natürlich kann man dieses Problem lösen, indem man zusätzlich zu den vier Druckfarben eine weitere Sonderfarbe für das Orange (z. B. Farbraum Pantone) hinzu nimmt. Dadurch steigen jedoch die Druckkosten. Hier sollte man sich also im Vorfeld fragen, wie hoch ist mein Druckbedarf und bin ich bereit die Mehrkosten zu tragen?
Psychologie
Als nächstes wenden wir uns der Farbpsychologie zu. Farben werden verschiedene Eigenschaften zugeschrieben. Diese Eigenschaften sollten sich mit den Eigenschaften eines Unternehmen oder eine Marke decken. Ein einfaches Beispiel: Wir sind im Versicherungsbereich tätig und möchten uns als Unternehmen positionieren das vor allem (welch Überraschung) für Seriosität und Verlässlichkeit steht. Dann wäre wahrscheinlich die Farbe Blau unsere erste Wahl. Immerhin assoziieren 44 Prozent aller Menschen mit Blau Vertrauen. Das haben natürlich auch unsere Mitbewerber erkannt und so wundert es wenig, dass die Mehrzahl der Versicherer Blau als Primärfarbe nutzt: Allianz, Gothaer, R+V, Basler, Europa, Inter, Concordia, Roland, Zurich, Cosmos usw.. Hier scheint die Unterscheidbarkeit vom Wettbewerb offensichtlich bei vielen hinter der Farbeigenschaft zu stehen. Andererseits steht blau aber nicht nur für Vertrauen sondern wird auch häufig mit „Kälte“, und „Ferne“ gleichgesetzt. Wenn man nun nicht nur „verlässlich“ sondern auch „kundennah“ sein möchte hat man ein Problem. Man könnte nun, wie die Targo Versicherung, der Primärfarbe Blau eine Sekundärfarbe Rot zur Seite stellen. Rot wird von den meisten Menschen mit Liebe, Zuneigung und Nähe assoziiert. So hätten wir beide Eigenschaften farblich abgedeckt. Allerdings ist uns nachhaltiges und umweltbewusstes Handeln auch sehr wichtig. Gut, ergänzen wir unsere Farbpalette eben noch um einen Grünton. Sie sehen wohin das führt. Natürlich spricht nichts gegen ein buntes Erscheinungsbild aber man muss sich dabei im klaren sein dass eine Wiedererkennung anhand der reinen Farbe (so wie bei der Telekom) damit schwieriger wird.
Die Farbpsychologie ist ein sehr spannendes Feld und kann relevante Erkenntnisse liefern. Hat aber bei der konkreten Anwendung auch ihre Grenzen. Es lohnt sich jedoch durchaus sich näher mit der Wirkung von Farben zu beschäftigen. Hierzu empfehlen wir gerne das Buch „Wie Farben wirken“ von Eva Heller.
Zielgruppe
Je genauer sich eine Zielgruppe definieren lässt, umso wichtiger wird es sie bei der Farbwahl zu berücksichtigen. Beispielsweise haben Männer und Frauen ein unterschiedliches Farbempfinden. Selbst überzeugte Befürworter einer geschlechtsneutralen Erziehung werden wohl kaum widersprechen, dass der Erfolg einer rosafarbenen Heimwerkermarke überschaubar bleiben wird. Auch das Alter spielt eine Rolle. Ob sich Senioren von einem hippen Neongrün ebenso angesprochen fühlen wie Teens möchte ich bezweifeln. Kinder wiederum sind wohl eher einer bunten Farbwelt zugetan als einem eleganten Schwarz. Natürlich sollte man hier nichts pauschalisieren aber die Zielgruppe zu kennen und sie bei der Farbwahl einzubeziehen ist definitiv sinnvoll.
Logotest: Ist mein Logo gut?
Sie fragen sich ob Ihr Logo, salopp gesagt, etwas taugt? Sie überlegen sich ein Re-Design Ihrer Marke durchzuführen oder sind gerade in der Entscheidungsfindung? Vielleicht haben Sie mehrere Logos zu Auswahl und sind sich nicht sicher welches Sie nehmen sollen? Dann...